Während des Schulfests wunderten sich viele: Im Eingangsbereich des Schulhofs war das alte Graffiti überstrichen worden, stattdessen fand man dort eine weiße Wand vor. Doch dabei blieb es nicht: In der letzten Woche entstand nach und nach ein neues Kunstwerk, entworfen und gezeichnet vom kolumbianischen Künstler Freddy Sánchez Caballero, der dabei von vielen Schülerinnen und Schülern unserer Schule unterstützt worden ist.
Am 16.09.2024 wurde das Kunstwerk offiziell der Schulgemeinde übergeben. Wir dokumentieren die Rede unseres Schulleiters zu diesem Anlass:
Der Künstler und sein Dolmetscher (Freddy Sánchez Caballero und Miguel aus der Q2)
Freddy Sánchez Caballero ist bildender Künstler aus Medellin in Kolumbien. Er war seit den 1990er Jahren immer wieder in Deutschland, so auch im vergangenen Jahr im Rahmen der Heiligtumsfahrt in Aachen, dem Partnerbistum des kolumbianischen Bistums Chocó. Schon in Kolumbien ist sein Werk in einem kirchlichen Kontext verortet. Geprägt von den historischen und gesellschaftspolitischen Realitäten seines Heimatlandes, drehen sich viele seiner Werke um die soziale Frage, um die Option für die Armen, um die Opfer der Verhältnisse. Zentral wurde in den vergangenen Jahren das Thema Umweltschutz, das ja immer auch eine soziale Komponente hat.
Bei uns hat er ein Wandgemälde zur Legende der Heiligen Ursula gestaltet, passend zum Namen unserer Schule, dem St.-Ursula-Gymnasium in Brühl – auf den ersten Blick ein Thema, das etwas von den üblichen Themen von Freddy Sánchez abweicht.
Kunst, so habe ich in der Schule gelernt, entsteht aus Ungenügen an der Realität, und Religion ist häufig ein Protest gegen die Wirklichkeit.
Beides findet sich, so denke ich, in dem Kunstwerk wieder: Wir sehen die Heilige Ursula und ihre Gefährtinnen, der Legende nach 11.000 Jungfrauen, die in Köln das Martyrium durch die Hunnen erleiden. Diese Legende ist verstörend – und entsprechend haben auch wir am St.-Ursula-Gymnasium uns, als wir die ersten Entwürfe sahen, gefragt, ob die Darstellung nicht zu martialisch wäre.
Doch die Wirklichkeit der heiligen Ursula war eben brutal, und zwar in mehrfacher Hinsicht:
– brutal, weil Frauen hier wie so oft in der Geschichte und Gegenwart Opfer männlicher Kriegsgewalt wurden (Köln wurde zur Zeit des Martyriums von den Hunnen belagert)
– und brutal, weil der Hunnenfürst Ursula deshalb ermordet, weil sie sich seinem Willen nicht hingibt. Ursula ist jemand, der sich in seinen Überzeugungen der Gewalt nicht beugt.Das Kunstwerk verhehlt die Gewalt nicht, es legt den Finger in die Wunde – und genau das ist die Aufgabe von Kunst.
Zugleich aber bleibt der Glaube nicht bei der Wunde stehen: Im Zentrum des Kunstwerks ist eine Darstellung der heiligen Ursula, die zumindest für mich etwas sehr Entschlossenes, Entschiedenes hat. Wir sehen Ursula als Königin mit der Märtyrerkrone – und das zeigt, dass nicht die Mörder das letzte Wort über ihre Opfer haben.
Doch diese Deutung, die ich Ihnen jetzt vorgelegt habe, ist natürlich nur eine von vielen möglichen – wir hoffen, dass das Kunstwerk zum Dialog und zur Auseinandersetzung anregen wird.
In der letzten Woche konnte man genau das schon beobachten: Immer wieder blieben Schülerinnen und Schüler, Kolleginnen und Kollegen stehen und tauschten sich über das aus, was hier im Entstehen begriffen war.
Die Übergabe eines Kunstwerks ist immer ein Moment des Danks.
Sehr herzlich bedanken möchte ich mich jetzt, wo wir dieses beeindruckende Kunstwerk hier vor uns sehen, bei Herrn Guido Schneider, ehemaliger Schüler und aktueller Schülervater bei uns am St.-Ursula-Gymnasium. Er kennt Freddy Sánchez privat und hatte die Idee, dass es doch großartig wäre, ein Kunstwerk von Freddy Sánchez im öffentlichen Raum in seiner Heimatstadt an seiner und seiner Kinder Schule zu realisieren. Erstmalig nahm Herr Schneider vor ca. anderthalb Jahren Kontakt zu mir auf, und wir haben seither so manche E-Mail ausgetauscht. Ihnen, lieber Herr Schneider, und Ihrem hartnäckigen Einsatz ist es zu verdanken, dass dieses Kunstwerk heute der Schulöffentlichkeit übergeben wird. Vergelt’s Gott!
Sehr herzlich danken möchte ich auch unserem Förderverein, der die Finanzierung des Kunstwerks übernommen hat, heute vertreten durch Herrn Zimmermann.
Ein großer Dank gilt der Fachschaft Kunst und euch, liebe Schülerinnen und Schüler! Eine Besonderheit an diesem Kunstwerk ist, dass es zwar einen Künstler als Urheber hat, dass aber – wie auch bei vielen anderen Kunstwerken von Freddy Sánchez – sehr viele Schülerinnen und Schüler bei der Gestaltung des Kunstwerks mitgewirkt haben, einige davon sogar am schulfreien Freitag. Auch dadurch ist das Kunstwerk wirklich ein Projekt der ganzen Schule.
Ein weiterer Dank gilt unserem Hausmeister Dirk Schuhmacher, der nicht nur im Vorfeld, sondern auch während der Fertigstellung des Kunstwerks großartigen Einsatz gezeigt hat. So war das Wetter für so ein Outdoor-Projekt eher suboptimal, so dass immer wieder für Regenschutz gesorgt werden musste.
Unser letzter Dank gilt Ihnen, lieber Freddy Sánchez Caballero. Sie haben uns mit diesem Kunstwerk ein großes Geschenk gemacht. Es ist eine Ehre, dass wir am St.-Ursula-Gymnasium jetzt das Werk eines so bedeutenden Künstlers haben, der uns seine Sicht auf unsere Namenspatronin und ihre Geschichte, die ja auch in gewisser Hinsicht der Anfang der Geschichte unserer Schule ist, vor Augen führt. Möge dieses Gemälde in den kommenden Jahren für uns immer wieder Anlass sein, zu fragen, wer wir sind, woher wir kommen und wofür wir stehen.
Muchas gracias!