Was macht deine Identität aus? – Diese Frage stellt das kraftvolle, aber zugleich auch sensible und berührende Werk der beiden Schüler Fabian Schunk und Johannes Uhlenbroch (Q1), die sich im vergangenen Schuljahr im Rahmen des Unterrichtsvorhabens »Von Bildnistypen zu individueller Identitätsentwicklung« (Q1) unter der Leitung von Frau Hundenborn mit dieser schwierigen Thematik biographisch sowie sozial auseinandergesetzt haben. Aufgrund der besonderen Aussagekraft und Qualität des gestaltungspraktischen Werks reichte die Kunstlehrerin der beiden Schüler den Film für den Jugendkunstpreis 2022 ein. Für die Teilnahme war auch in diesem Jahr kein Thema vorgegeben. Die besten Arbeiten wurden für eine Ausstellung (23.07.22 – 11.08.22) ausgewählt.
Die Vernissage mit Preisverleihung fand am Samstag, den 23. Juli 2022, ab 14:00 Uhr im »Haus an der Redoute« statt. Als »Haus an der Redoute« (ehem. kurfürstliches Hoftheater) wird ein 1790 errichtetes Gebäude im Bonner Ortsteil Alt-Godesberg bezeichnet; die klassizistische Villa liegt an der Kürfürstenallee 1a (53177 Bonn) und fungiert heute als Außenstelle des Bonner Kunstmuseums. Die mediale Arbeit der beiden Schüler wird den Ausstellungsbesuchern noch bis zum 11. August in einem besonderen Bereich der Räumlichkeiten eindrucksvoll als »Loop« präsentiert.
Bei der Prämierung berücksichtigte die Jury der Grad der selbstständigen Leistung, der Beherrschung von ästhetischen Verfahren und Techniken sowie die Bedeutsamkeit der inhaltlichen Aussage. Für ihren Film »einer von vielen« (aus urheberrechtlichen Gründen nicht online verfügbar) wurden die beiden Schüler der vergangenen Q1 mit dem 1. Preis für Gruppen-/Partnerarbeiten ausgezeichnet. Die Jury betonte in ihrer Begründung die soziale Anlage der Gemeinschaftsarbeit, welche die »Identität des Einzelnen in der Gesellschaft [beleuchtet]. […] Der Betrachter wird angeregt, sich selber Gedanken zu machen, was die eigene Identität ausmacht.« Das mediale Werk berührt und fesselt den Rezipienten.
Die beiden Schüler Fabian Schunk und Johannes Uhlenbroch beschreiben ihre Arbeit wie folgt:
»Das Projekt »einer von vielen« ist eine digitale Arbeit zum Thema »Identität«. Die im Film dargestellten Rückenfiguren (in Anlehnung an C. D. Friedrich) verdeutlichen die Ernsthaftigkeit der Thematik, die transportiert werden soll, und lassen den Betrachter als eine Person von vielen – als »einer von vielen« (Werktitel) erscheinen. Der Rezipient soll sich, indem er das Werk ansieht, über eine besondere Geschichte, eine Erfahrung, ein Erlebnis Gedanken machen, die seine Identität ausmacht und geprägt hat.
Die aufgenommenen Personen wurden technisch vom Hintergrund losgelöst, um den Fokus auf die Geschichte und die erzählende Person zu lenken und eine mögliche Irritation durch den Hintergrund zu verhindern. Des Weiteren ist die Darstellung mit einem Schwarz-Weiß Filter belegt, damit störende Farben nicht zu sehen sind, was nochmals den Blick des Rezipienten lenkt – zum einen auf die Geschichte, welche die Identität ausmacht, und zum anderen auf die erzählende Person.
Die in unserem Projekt verwendeten Fotografien sind nicht nur aufschlussreich im Hinblick auf die künstlerische Gestaltung, sondern auch in Bezug auf das Thema »Identität«. »Was macht meine Identität aus?«, ist eine Frage, die in unserem Projekt immer wieder mit Bezug zu den Rückenfiguren (Fotografien) auftaucht. Diese Frage, welche wir den in der Brühler Fußgängerzone fotografierten, uns unbekannten Personen stellten, stieß sowohl auf nachdenkliche Zurückhaltung als auch auf Skepsis, weswegen einige Personen das Interview nach einiger Zeit abbrachen. Die erzählten Geschichten wollten wir jedoch nicht »verstummen« lassen, weswegen wir repräsentativ Schüler/-innen unseres Gymnasiums für drei Personen eingesetzt haben.
Die verschiedenen Fotografien ergeben das große Fragezeichen, welches wir alle in unserem Kopf haben. Die verschieden kleinen Bilder spiegeln Personen mit ihren Charakterzügen wider, die einen Menschen in besonderer Weise ausmachen. Aus all diesen spezifischen Einzelteilen und Facetten ergibt sich eine Identität - die eigene Identität. Alle Erlebnisse, alle Geschichten und alles, was wir denken und fühlen oder gefühlt haben, trägt zu unserer Identität bei. Jedes kleine Bild fügt sich zu einem großen.«
Eine ehrenvolle Anerkennung (6. Preis) erhielt auch der Schüler Lazaros Telidis, der sich im Unterrichtsvorhaben »Von Bildnistypen zu individueller Identitätsentwicklung« (Q1) von Frau Hundenborn mit Vorurteilen und Stereotypen auseinandersetzte, welche die Identitätsentwicklung junger Menschen behindern können. Die Juroren betonten bei der Preisverleihung die Vielschichtigkeit der Arbeit: »Durch das Auf- oder Zuklappen der verschiedenen Bildteile kann der Betrachter die Impressionen des Künstlers wahrnehmen.«
Für sein Werk, eine Acrylmalerei, die vom Rezipienten variabel gestaltet werden kann, um so die Aussagekraft des Werks zu intensivieren und zu verändern, findet der Schüler folgende Worte:
»Die künstlich-praktische Arbeit (Malerei in Acryl) mit dem Werktitel »Zwischen Wunsch, Hoffnung und Realität« bewegt sich im Themengebiet »Identität«, indem sie versucht, eine Grenze zwischen Wünschen/Träumen und Bedingungen der Realität zu ziehen. Unsere Gedanken und Gefühle reflektieren einen Teil unserer Identität, da diese eine individuelle Vorstellung davon zeigen, was jeder einzelne als »Ideal« für sich empfindet - hier geht es um das »ideale« Bild sowie berufliche Ziel eines Jugendlichen, Schiffskapitän zu werden. Doch gewisse gesellschaftliche Umstände lassen dies nicht zu.
Dies ist der Kern des Werks, nämlich der Umgang mit der kulturellen Identität der Menschen in unserer Gesellschaft. Der hier dargestellte Jugendliche mit Migrationshintergrund aus dem Kulturkreis »Afrika«, dessen künstlerische Umsetzung, insbesondere im Hinblick auf das Gestaltungsmittel »Farbe« von der Künstlerin Nasser Zadeh inspiriert wurde, hat ein weites Leben vor sich und möchte dieses nach seinen Wünschen gestalten. Doch in der Gesellschaft, in welcher sich der junge Mann bewegt, sind diskriminierende Vorurteile spürbar, die es dem Jugendlichen nicht erlauben, sein (berufliches) Lebensziel zu verfolgen.
Die angesprochenen Vorurteile beginnen in der Schule, wo (un-)bewusst Stereotype von Lehrer- und Schülerseite transportiert werden, welche Jugendliche emotional belasten und Minderwertigkeitsgefühle hervorrufen. Auch im Alltag werden die kognitiven Leistungen von Personen mit Migrationshintergrund, wie empirische Studien (nach J. Hagedorn) belegen, geringer eingestuft als von Personen ohne Migrationshintergrund, da die meist fehlenden sprachlichen Kompetenzen dieser Menschen lediglich zu einem Bildungsabschluss führen, der ihren eigentlichen Fähigkeiten nicht entspricht. Somit kommt es zu einem »Identitätsverlust« und der Jugendliche kann sein Lebensziel nicht erreichen; er bewegt sich in einer Welt ohne Orientierung – bildlich gesehen ›auf der Straße‹.«
Fabian Schunk und Johannes Uhlenbroch sowie Lazaros Telidis gratulieren wir zu dieser besonderen Auszeichnung und Prämierung!
Bis zum 11. August ist sind der Film und die Malerei noch im »Haus an der Redoute«, Kürfürstenallee 1a in 53177 Bonn, zu sehen. Über Ausstellungsbesucher freuen sich die drei Schüler und Frau Hundenborn.
(Hun)