»Jugendliche sehen und verstehen – Die pädagogische Beziehung zwischen Empathie und Führung« – unter diesem Thema stellte Herr Professor Dr. med. Bauer auf dem diesjährigen Pädagogischen Tag des Kollegiums am Freitag, dem 19.2.2016, seinen Ansatz für gelingende Bildung vor, den er mit modernen neurowissenschaftlichen Forschungsergebnissen begründet.
Prof. Dr. med. Joachim Bauer ist Arzt, Neurowissenschaftler und Psychotherapeut. Er war nach seinem Medizinstudium viele Jahre erfolgreich in der Grundlagenforschung tätig. Seit vielen Jahren ist er mit Projekten befasst, welche die seelische Gesundheit in der Schule zum Gegenstand haben. Im Auftrag des Kultusministeriums von Baden-Württemberg führt Prof. Bauer landesweit Gesundheitsschutz-Maßnahmen an Schulen durch. Das zentrale Anliegen Bauers ist es, moderne neurowissenschaftliche Erkenntnisse für die Medizin, die Pädagogik und den ganz normalen Alltag nutzbar zu machen. Bauer ist Autor viel beachteter Sachbücher, darunter die Titel »Das Gedächtnis des Körpers«, »Warum ich fühle, was du fühlst«, »Prinzip Menschlichkeit«, »Lob der Schule«, »Schmerzgrenze« und »Selbststeuerung«.
Weil das Thema »Soziales Lernen« nicht nur kollegiumsintern diskutiert wird, sondern in diesem Jahr das Schwerpunktthema der Schulentwicklung ist, hatte das Kollegium auch die gewählten Elternvertreter und Schülervertreter zu diesem Vortrag eingeladen. Auch Schüler aus dem LK Pädagogik waren unter den Zuhörern.
Professor Dr. Bauer fragt, »welches zwischenmenschliche Erleben (Psychologie) führt im Gehirn und im Körper der Kindes zu einer optimalen Biologie bzw. zu einer optimalen geistigen Entwicklung?«
Seine zentrale These lautet: »Kinder brauchen persönliche Bindungen zu Bezugspersonen, um ihre Motivationssysteme zu entfalten. Sie brauchen Einfühlung und Unterstützung, um sich frei von Angst der Welt zuzuwenden und lernen zu können.«
Er fordert deshalb, dass Erziehende bei Kindern »nicht das hegen und pflegen, was uns bequem ist oder uns ein Gefühl von Macht gibt, sondern das, was das Leben von ihnen fordern wird: Begeisterungsfähigkeit, Kreativität, Pfiffigkeit, Hilfsbereitschaft, kritisches Denken, Fleiß, Durchhaltevermögen, Unbestechlichkeit, Konfliktbereitschaft, Empathie, Fairness und Sportlichkeit.«
Das Auditorium bedankte sich mit anhaltendem Applaus für den höchst interessanten und gleichzeitig unterhaltsamen Vortrag.
Das Kollegium tauschte sich anschließend in jahrgangsstufenbezogenen Arbeitsgruppen über diesen Ansatz aus und setzte sich mit dem Leitbild der Schule auseinander, in dem viele Anknüpfungspunkte zu den Ausführungen von Professor Bauer zu finden sind: In welcher Haltung begegnen wir als Lehrer unseren Schülern? Wozu wollen wir unsere Schüler erziehen? Welche Haltungen wollen wir bei unseren Schülern fördern?
Den Kontext dieses Tages im Schulentwicklungsprozess erläuterte Frau Tillmann als Verantwortliche für den Bereich der Prävention in ihrem Eröffnungsstatement vor dem Kollegium:
»Schule ist ein Raum, in dem Schüler sich in sozialen Beziehungen erleben und der ihnen Schutz vor vielen Gefährdungen bieten soll. Diesen Schutz bietet in grundlegender Weise ein soziales Klima, in dem Schüler Wertschätzung und Akzeptanz erfahren. Wir wollen uns heute darüber austauschen, wie wir diesen grundlegenden Schutz am besten gestalten können. Dies betrifft die Haltung, mit der wir Schülern begegnen, genauso Haltungen, die wir bei Schülern fördern möchten, und auch die Frage, welche Unterstützung wir als Lehrer dabei brauchen. (…) Daraus ergeben sich gemeinsame Ziele für das soziale Lernen. Auf dieser Basis sollte es uns dann möglich sein, als Schulgemeinschaft eine Vereinbarung zu gewünschten Verhaltensformen zu entwickeln und diese zur Wahrung einer konsistenten Schulkultur an die Stelle unserer eher regulativen Hausordnung treten zu lassen.«
Die neurowissenschaftlichen Forschungsergebnisse, die Professor Bauer in seinem Vortrag erläuterte, bestätigten die Relevanz des diesjährigen Themas für die Schulentwicklungsarbeit: Wertschätzung und Akzeptanz sind die Bedingung für gelingende Erziehung und für erfolgreiches Lernen. Denn: »Zwischenmenschliche Beziehungen sind für Kinder eine Art essentielles Vitamin, sie sind ebenso wichtig wie gesunde Ernährung und ausreichender Schlaf.«