Poetry-Slam der EF am St.-Ursula-Gymnasium
Nach Abschluss des zweistündigen Poetry-Slams, an dem alle Schülerinnen und Schüler der Einführungsphase teilnahmen und der am 4. Juli 2019 in der kleinen Turnhalle der Schule stattfand, bat die Autorin dieses Artikels die drei Preisträger/-innen Theresa Mommertz (1. Platz), Ina Thierkopf (2. Platz) und Samuel Roth (3. Platz) um eine E-Mail mit ihren Texten. Einige Tage später schrieb Samuel in seiner Mail: »Die Kommata stellen die Pausen dar. Wenn Sie wollen, können Sie erwähnen, dass der Autor selbst gesagt hat, dass der Text in 10 Minuten geschrieben worden und inhaltlich nichts dran sei. Es käme auf die Performance an und der Text könne beliebig ausgetauscht werden. Ich glaube, das stellt keine Kritik dar, sondern vielmehr einen gewissen ›Verbraucherhinweis‹.«
Diesen Verbraucherhinweis möchte die Autorin der Öffentlichkeit natürlich kundtun und somit auch ihre Anerkennung und Wertschätzung für die von Samuel verfolgte Strategie der »Interaktion mit seinem Publikum« im Rahmen eines Dichterwettstreits, der die Performanz-Orientierung in den Mittelpunkt stellt. So hört das Werk nicht mit dem Text auf: Natürlich steht Samuel beim Poetry-Slam auch nicht auf der Bühne wie alle anderen, sondern setzt sich für seinen Vortrag, da dies »bodenständiger wirke, wie man ihm gesagt habe.« Vorzustellen ist sein Text »Die Welt, mit Blick auf die Uhr« daher auch kurz und knapp über zwei treffende Verse: »Heutzutage sind ja alle nett / in diesem Sinne das war es komplett.«
Ina Thierkopf, die als Vortragende die schwierige (per Los zugeteilte) Aufgabe übernahm, den Poetry-Slam mit ihrem Text »Was ist los?« zu eröffnen, vermittelte mit ihrem Beitrag die für einen Sprechtext wichtige doppelte Codierung: eine verständliche, kurz gehaltene, gut strukturierte Oberfläche (Kreuzreim, Rhythmus) und dahinter eine Tiefenstruktur, welche sich erst beim zweiten Hören oder Nachlesen ganz erschließt. Spricht Ina im ersten Teil ihrer Performance die fehlende zwischenmenschliche Unterstützung an (»Doch bist du da für mich? / Wenn ich sage / Ich brauche dich / Wenn ich dich frage / Hilfst du mir? / Wenn ich weine / und den Verstand verlier / Wenn ich meine / Dass niemand mich liebt / Und ich fürchte / Dass niemand mir vergibt / Du sagst ja / Doch ich befürchte / das ist nicht wahr.«), so bezieht sie die angesprochene Thematik im zweiten Teil auf aktuelle Problemlagen unserer Gesellschaft: »Wir essen Fleisch in Massen / Doch Massentierhaltung können wir nicht fassen / Wir wollen fließend Strom / doch auf jeden Fall ohne Atom / Die Politiker sollen was tun / Und wir wollen uns ausruhen / Wir wollen Erfolg / doch nicht dafür arbeiten / Wir wollen Reform / Doch keine Verbote / Wir wollen, dass es allen gleich geht / Aber uns noch ein kleines bisschen besser.«
Auf den ersten Platz wählten die Juroren (Lehrkräfte: Herr Frantzen, Frau Hundenborn, Herr Meller und Frau Salamon sowie die nicht vortragenden Schülerinnen und Schüler der EF) die Schülerin Theresa Mommertz mit ihrem Beitrag »Zurück auf Anfang«, der sowohl Lehrkräfte als auch Schülerschaft berührte und sich neben einer Authentizität, die alle Zuhörenden unmittelbar spürten, auch durch eine besondere literarische Qualität auszeichnet, so beispielsweise durch die von Theresa gewählte Metaphorik (»Fluss des Alltags«) und Farbsymbolik (»versuchen, Deine Farben anderen zu zeigen / versuchen, ihre Farben kennen zu lernen / versuchen, die Farben zu mischen / versuchen… / versuchen beinhaltet doch schon das Scheitern« – »Der Tag beginnt grau.«). Gerahmt wird der Beitrag durch eine Art Refrain, welcher den Text strukturiert und sich am Ende insofern wandelt, als der von Theresa angesprochene Fortschritt sowohl inhaltlich als auch formal sichtbar wird: »Ein Herzschlag und zurück auf Anfang. / Ich öffne die Augen und tauche auf, / tauche auf aus dem Leben, das ich eines Tages haben will, / zurück in mein jetziges. – Und dann ein Herzschlag, zurück auf Anfang. / Und der Fortschritt ist selber gegangen. / Es scheint alles, wie zu Beginn zu sein, / und ich liege da, mit nichts in der Hand, in meiner grauen Welt. – Jedoch was bleibt, bin ich, / und das reicht für mich.«
Glückwünsche dürfen aber nicht nur den drei Preisträger/-innen ausgesprochen werden, sondern allen Schülerinnen und Schülern, welche die kursinternen Poetry-Slams im Fach Deutsch gewonnen und am Stufen-Slam der EF als Beitragende teilgenommen haben: Madita Collard (»Sommer«), Saskia de Lange (»Wir lernen das«), Sophie Mellmann (»Wonderland«), Julia Fassbender (»Abschiedsbrief«), Nina Breuer (»Bahngesellschaft«), Madeleine Diefenbach (»Zukunft«), Hendrik Müller-Bachem (»Planet der Affen«), Chiara Lips (»Wunder geschehen«), Alex Vuko (»Black or White‘), Maxima Munoz (o. T.), Lukas Zaum (»Die Gesellschaft«), Karla Nonn (»Fremd- und Selbstbild«), Marlene Bumba (»Egoismus«) und Jan Lendle (»Schule und Leben«).
Moderiert wurde die von Herrn Meller initiierte Veranstaltung souverän von den beiden Schüler/-innen Inés Delgado Lafuente und Gabriel Böhme (Master of Ceremony), die kurz die 17 teilnehmenden Slammer vorstellten und in die Thematik einführten. Schülerinnen und Schüler der Ton-AG spielten vor jedem Auftritt einen kurzen Auszug aus einem Musikstück ein, das sich die Vortragenden aussuchen durften und somit die lautliche Dynamik der Sprache passend unterstützte. So wurde der Poetry-Slam zum Paradigma einer neuen Kunstform, die sich durch Performanz und Musikalität auszeichnet und ein gegenwärtiges Lebensgefühl zum Ausdruck bringt – zwischen jugendnaher Popkultur und Universalpoetik. (Hun)