Es war ein Abend, den man nur schwer vergisst. Die Frau zu vergessen, die im Mittelpunkt des Abends stand, ist unmöglich. Rosi Gollmann hinterlässt Spuren – das ist jedem ihrer Zuhörer deutlich anzumerken am 18. April 2013, als die Gründerin der Andheri-Hilfe Bonn im Hörsaal unseres Gymnasiums die Veranstaltung beendet. Diese zierliche 86-Jährige erfüllt den Raum mit einer Frische, einer Stärke, einer Präsenz, die nur wenigen, auch weitaus jüngeren Menschen, gegeben ist. Natürlich kennen alle St. Ursula Verbundenen Frau Gollmanns Arbeit seit langem, wissen (nicht zuletzt durch unseren Andheri-Bazar) um ihr Engagement in Indien und Bangladesch. Und dennoch ist es stets etwas anderes, Frau Gollmann live zu erleben.
Sie liest Kostproben aus ihrem 2012 erschienen und zum Bestseller avancierten Buch »Einfach Mensch – Das Unmögliche wagen für unsere Welt«. Dass der Untertitel Wort hält, wird schnell klar aus den vorgetragenen Auszügen, die sich mit Frau Gollmanns episodenartigen, freien Erzählungen über ihre Arbeit mischen. Die Anwesenden folgen gebannt den Geschichten, die wie einzelne Lichtkegel nach und nach das Lebenswerk Rosi Gollmanns erhellen. Das Gesamtbild, das vor dem geistigen Auge der Zuhörer Schritt für Schritt entsteht, mag den einen beeindrucken, den nächsten betroffen machen, den Dritten vielleicht sogar beschämen; in keinem Fall lässt es unberührt. Frau Gollmann nimmt uns mit auf eine Reise durch ihr Leben, das im Möglichmachen des Unmöglichen zuweilen wie ein Märchen anmutet. Vor Jahren konfrontiert mit der Frage, wie sie angesichts des überwältigenden Leids mit nur einer Handvoll Mitarbeitern helfen, wo sie bei der Überzahl der Bedürftigen ansetzen will, antwortet sie unbeeindruckt: »Beim Ersten.«
Diesem Ersten sind in den gut fünf Jahrzehnten des Bestehens der Andheri-Hilfe Bonn Zigtausende, ja Millionen gefolgt. Frau Gollmann und ihre Mitarbeiter haben ihrer unabhängigen, gemeinnützigen Organisation zu einer beispiellosen Erfolgsgeschichte verholfen, in deren Mittelpunkt die notleidenden Menschen Indiens und Bangladeschs stehen: Ob Kinder, Waise, Frauen, Blinde, AIDS- oder Leprakranke – Frau Gollmann und ihre Partner haben sich ihrer angenommen und sich Armut, Verwahrlosung, Gewalt, Missbrauch, Ausbeutung und Ausgrenzung in den Weg gestellt, und das mit einem solchen Erfolg, dass man tatsächlich an Geschichten aus 1001 Nacht glauben mag.
Und das wahrhaft Märchenhafte ist: Rosi Gollmann empfindet ihr Handeln nicht als außergewöhnlich oder heldenhaft. Es habe sich ganz selbstverständlich für die gläubige Christin ergeben, aus ihrem Sinn für Gerechtigkeit und ihrem Zugehen auf die Menschen. Zusammenbrüche habe es nicht gegeben auf ihrem Weg, Umbrüche, Neuanfänge wohl, aber das Gefühl des Aufgebens müsse sie erst noch erleben.
Frau Gollmann beendet den Abend, durch den Frau Oster führte und der von unserer Schülervertreterin Julia Berg musikalisch eingerahmt war, nach einer offenen Runde mit der Frage, die ihr ein junger Unternehmer unlängst stellte: »Was haben Sie eigentlich davon, dass Sie sich ein Leben lang für andere Menschen eingesetzt haben?« Frau Gollmanns Antwort: »Ich bin ein zutiefst glücklicher Mensch; glücklicher könnte ich gar nicht sein.« Man glaubt es ihr – jedes Wort.
Auch die Kölnische Rundschau berichtet in ihrer Ausgabe vom 19.04.2013 ausführlich über die Veranstaltung: