Auf einem silbernen Surfbrett reist der Silversurfer durch das All, wie allen Schülerinnen und Schülern der Klasse 7d aus der »Superheldenwelt« der Marvel-Comics bekannt. Die Künstlerin Julia Bünnagel macht diese Figur zum Namenspaten ihrer Installation »Silversurfer« (2013), in deren Zentrum eine silberne Schallplatte sowohl Licht wie eine leuchtende Sphäre reflektiert, als auch ein geheimnisvolles Rauschen verursacht. Die Künstlerin spielt damit auf den ambivalenten Klang des Weltalls an: Während dem Weltall einerseits ein beständiges Schweigen nachgesagt wird, ist es andererseits doch auch voller irritierender Geräusche und Klänge.
So wählen zwei Schüler der Klasse 7d, die sich mit dem Werk »Silversurfer« im Kunstunterricht von Frau Hundenborn auseinandergesetzt haben, für ihr Environment (Einbezug der Umgebung in die künstlerische Gestaltung) zum Thema »Stille« – einem kognitiv anspruchsvollen Thema, das einerseits in der Bildenden Kunst, der Philosophie und Religion sowie Musik seinen Platz hat, andererseits aber auch in der Physik (Nanotechnologie), den Umweltwissenschaften und der Psychoakustik beheimatet ist – ebenfalls das Universum als Impuls für die räumliche Gestaltung ihres Werks:
»Wir haben das Universum gewählt, weil es unerforscht ist und wir diesen Raum mit Stille verbinden. Für uns ist das Universum aber auch ein Ort der Geheimnisse, den wir künstlerisch erkunden möchten. Die Sterne im Hintergrund haben wir als Musiknoten dargestellt, weil diese kurz und leise gespielt werden.«
Die Auseinandersetzung mit dem komplexen Phänomen der Stille ging aus einem Mehrheitsentscheid der Klasse 7d (mit Beginn des neuen Schuljahres der Klasse 8d) hervor, deren Schülerinnen und Schüler in Kleingruppen oder als Einzel-/Partnerarbeit zunächst ein Konzept entwickelten, in dem sie das Phänomen sachlich definierten und anschließend subjektiv bewerteten. Diese individuelle Einschätzung war Ausgangspunkt für die künstlerische Gestaltung des Raums und somit die kreative Umsetzung eines persönlichen Zugangs zur Thematik.
Viele Schülerinnen und Schüler definierten Stille als die Abwesenheit von Geräuschen und sonstigen Klangphänomenen. Sie unterschieden zwischen einer inneren und äußeren Stille und stellten fest, dass Stille zwar einerseits mit dunklen Gefühlen wie Einsamkeit, Trauer und Melancholie sowie der Auseinandersetzung mit dem Tod in Verbindung steht, andererseits in unserer hektischen Welt aber auch etwas Besonderes ist. Oftmals machen erst die Klänge der Natur wie das Geräusch des Windes oder das Rauschen des Meeres auf die Abwesenheit von (Zivisilations-)Lärm und menschlichen Stimmen aufmerksam.
In der Auseinandersetzung mit vielfältigen Zugängen aus unterschiedlichen Disziplinen entstanden interessante Werke zu einem Thema, mit dem jeder Rezipient in seiner Lebenswelt beständig konfrontiert ist, das aus diesem Grund aber zugleich auch häufig in Vergessenheit gerät. Einige Impressionen seien an dieser Stelle abschließend aufgeführt, weil die Worte der Künstler/‑innen (7d) ihre eigenen Gedanken zum Thema »Stille« nachdrücklich beschreiben:
— »Wenn wir den Sonnenaufgang sehen, ist die Natur noch ganz still. Man hört nichts, bevor der Trubel am Tag beginnt. Morgens, wenn die Sonne aufgeht, ist es noch ganz ruhig: Man kann mit dem Wellenrauschen zur Ruhe kommen und über viele Dinge nachdenken.«
— »Wir finden, dass Stille durchaus hörbar sein kann, nur eben nicht für jeden. Zum Beispiel kann Stille nach einem rufen. Sie kann gute, aber auch schlechte Gedanken evozieren; deshalb kann Stille einen wahrhaft zerreißen.«
— »Stille kann sowohl anstrengend als auch erholsam sei: Wenn man zum Beispiel schon seit Tagen allein ist und kaum Geräusche hört, ist Stille belastend. Nach einem anstrengenden Tag in der Schule oder in einer lauten Großstadt kann Stille aber auch erholsam sein. Es besteht so die Möglichkeit, in Ruhe nachzudenken und kreativ zu werden.«
— »Stille ist für uns Entspannung, weil man sich in der Stille hinlegen und einfach alles hinter sich lassen kann, was einen geärgert hat.«
— »Wir verbinden Stille mit Nachdenklichkeit und Entspannung, aber gleichzeitig strahlt Stille auch etwas Beängstigendes aus. Den positiven Aspekt verbinden wir mit der Farbe Orange, den negativen mit der Farbe Weiß. In die Wände des Raums, der unsere Vorstellung von Stille visuell veranschaulicht, haben wir mit einem Messer Ritzen hineingeschnitten, welche die Gefahren von Stille darstellen. In das rot angemalte Bett legen wir eine Batterie als Symbol für das »Aufladen des Körpers«. Man legt sich in sein Bett und lädt seinen Körper auf, bis er wieder warm ist. Die Bettdecke besteht aus weißer Wolle, weil dieses Material einerseits kuschelig ist, die Farbe für uns aber andererseits zugleich auch den beängstigenden Aspekt von Stille zum Ausdruck bringt. Orangefarbenes Licht durch eine Lavalampe, die von einer Taschenlampe angestrahlt wird, ist wichtig, weil die Farbe Orange für das Gefühl der Geborgenheit und die Möglichkeit der Entspannung steht.«
(Hun)