Ein Klassiker in modernem Gewand
Schüler des St.-Ursula-Gymnasiums spielen ihre Version der »Iphigenie auf Tauris«
Von HANNA STYRIE
BRÜHL. Bis auf den Prolog ist nicht mehr viel übrig geblieben von Goethes Drama »Iphigenie auf Tauris«. Er ist unangetastet geblieben, ansonsten aber hat Luc von Danwitz, Schüler am St.-Ursula-Gymnasium, den Klassiker mit einigen Schulkollegen und bühnenerfahrenen ehemaligen Mitgliedern der Theater AG kräftig gegen den Strich gebürstet.
Keine Spur mehr vom edlen Pathos des Klassikers, dem die Schüler mutig und einfallsreich ein modernes Gewand verpasst haben. Schauplatz des Geschehens ist ein Nachtclub, der Thoas gehört, einem gewissenlosen, zwielichtigen Drogendealer, der in Anzug und Goldkettchen wie ein Zuhälter daherkommt und von Robin Sogalla gespielt wird. Die Waise Iphigenie (Sophie Hoog), die er einst aufgenommen und hat und nun als Kellnerin beschäftigt, versucht mit aller Gewalt, ihn von seinen dunklen Machenschaften abzuhalten.
»Ich will Vernunft«, schreit sie entnervt von den Auseinandersetzungen ins Publikum. Eine Psychologin, die die Schüler kurzerhand hinzu erfunden haben, diagnostiziert daraufhin nüchtern physische und psychische Erschöpfung.
Lena Krüger bewährt sich glänzend als kühl analysierende Seelenklempnerin und sorgte mehr als einmal für Gelächter im voll besetzten Atrium, wo sie als einzige Darstellerin auch bis in die hinteren Reihen zu verstehen war. Durch ihre Kommentare gewinnt man immer wieder Distanz zum dramatischen Geschehen auf der Bühne, das sich durch das Erscheinen des drogenabhängigen Orest (Luc von Danwitz), der in Begleitung der Dealerin Pylada auftaucht, verschärft. Iphigenie ist die moralische Instanz in diesem Sumpf aus Macht, Gier und Abhängigkeit, daran hält auch die Neufassung fest, die bei den Mitschülern großen Anklang fand.
Monatelang hatte man für die Aufführung geprobt, für die alle Beteiligten, darunter auch Clemens Geer und Pia Hönscheid und – nicht zu vergessen – fünf Nachtclub-Tänzerinnen in knappen Corsagen zu Recht rauschenden Applaus ernteten.
Die humanistische Botschaft des Klassikers, den die Schüler so beherzt in die Gegenwart verlegt haben, ist nämlich trotz der Aktualisierung durchaus noch zu erkennen.
Aus der Kölnischen Rundschau vom 12.01.2013